Blutbild & Selbstdiagnostik

Hormone im Blut: Was sie uns sagen

Die Hauptakteure: Überblick über wichtige Hormone

Schilddrüsenhormone: Die Stoffwechselregulatoren
TSH (Thyreoidea-stimulierendes Hormon)
  • Funktion:
    • TSH wird in der Hypophyse produziert und steuert die Produktion der Schilddrüsenhormone T3 und T4.
    • Es ist Teil eines komplexen Feedback-Systems: Niedrige T3/T4-Spiegel stimulieren die TSH-Produktion, hohe T3/T4-Spiegel hemmen sie.
  • Erhöhte Werte:
    • Mögliche Ursachen:
      • Primäre Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose): Die Schilddrüse produziert zu wenig Hormone, der Körper versucht dies durch erhöhte TSH-Ausschüttung zu kompensieren.
      • Jodmangel: In Gebieten mit geringer Jodzufuhr kann dies zu einer Schilddrüsenvergrößerung (Struma) führen.
      • Hashimoto-Thyreoiditis: Eine Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem die Schilddrüse angreift.
    • Bedeutung:
      • Ein erhöhter TSH-Wert ist oft der erste Hinweis auf eine beginnende Schilddrüsenunterfunktion.
      • Symptome können Müdigkeit, Kälteintoleranz, Gewichtszunahme und Verstopfung umfassen.
  • Erniedrigte Werte:
    • Mögliche Ursachen:
      • Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose): Übermäßige Produktion von Schilddrüsenhormonen unterdrückt die TSH-Ausschüttung.
      • Medikamentenwirkung: Besonders bei der Behandlung einer Schilddrüsenunterfunktion mit Levothyroxin.
      • Selten: TSH-produzierende Tumoren der Hypophyse.
    • Bedeutung:
      • Niedrige TSH-Werte in Kombination mit hohen T3/T4-Werten deuten auf eine Schilddrüsenüberfunktion hin.
      • Symptome können Nervosität, Gewichtsverlust, Herzrasen und Hitzeunverträglichkeit umfassen.
T3 (Trijodthyronin) und T4 (Thyroxin)
  • Funktion:
    • T3 und T4 sind die eigentlichen Schilddrüsenhormone, wobei T4 die Vorstufe von T3 ist.
    • Sie regulieren den Grundumsatz des Körpers, beeinflussen Herzfrequenz, Körpertemperatur, Energieumsatz und zahlreiche Stoffwechselprozesse.
    • T3 ist die biologisch aktivere Form, obwohl T4 in größeren Mengen produziert wird.
  • Erhöhte Werte:
    • Symptome:
      • Nervosität und innere Unruhe
      • Gewichtsverlust trotz gesteigertem Appetit
      • Herzrasen und Palpitationen
      • Vermehrtes Schwitzen und Wärmeintoleranz
      • Schlafstörungen
      • Bei Frauen: Zyklusstörungen
    • Bedeutung:
      • Typisch für eine Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose)
      • Häufige Ursachen sind die Basedow-Krankheit (Autoimmunerkrankung) oder autonome Adenome der Schilddrüse
      • In seltenen Fällen kann eine Überdosierung von Schilddrüsenmedikamenten die Ursache sein
  • Erniedrigte Werte:
    • Symptome:
      • Ausgeprägte Müdigkeit und Antriebslosigkeit
      • Kälteintoleranz
      • Gewichtszunahme trotz normaler oder verminderter Nahrungsaufnahme
      • Verstopfung
      • Trockene Haut und brüchige Haare
      • Konzentrationsstörungen und Vergesslichkeit
      • Bei Frauen: Verstärkte Menstruationsblutungen
    • Bedeutung:
      • Typisch für eine Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose)
      • Häufige Ursachen sind chronische Entzündungen der Schilddrüse (z.B. Hashimoto-Thyreoiditis) oder Jodmangel
      • In manchen Fällen kann eine vorausgegangene Schilddrüsenoperation oder Radiojodtherapie die Ursache sein
Sexualhormone: Die Gestalter unserer Fortpflanzung und Entwicklung
Testosteron
  • Funktion:
    • Hauptsächlich männliches Sexualhormon, wird aber auch bei Frauen in geringeren Mengen produziert
    • Wichtig für Muskelaufbau, Knochendichte, Libido, Spermienproduktion und männliche Körperbehaarung
    • Beeinflusst auch kognitive Funktionen und Stimmung
  • Erhöhte Werte bei Männern:
    • Mögliche Ursachen:
      • Tumoren der Hoden oder Nebennieren
      • Anabolika-Missbrauch im Bodybuilding
      • Selten: Genetische Störungen
    • Bedeutung:
      • Kann zu gesteigerter Aggressivität und Libido führen
      • Akne und übermäßige Körperbehaarung
      • Paradoxerweise kann es auch zu Unfruchtbarkeit führen, da die Spermienproduktion gehemmt wird
      • Langfristig: Risiko für Prostataprobleme und kardiovaskuläre Erkrankungen
  • Erniedrigte Werte bei Männern:
    • Mögliche Ursachen:
      • Natürlicher Alterungsprozess (Andropause)
      • Chronischer Stress und Erschöpfung
      • Übergewicht (Fettgewebe wandelt Testosteron in Östrogen um)
      • Erkrankungen der Hoden oder Hypophyse
    • Bedeutung:
      • Libidoverlust und erektile Dysfunktion
      • Müdigkeit und verminderte Leistungsfähigkeit
      • Muskelschwund und Zunahme des Körperfetts
      • Osteoporose-Risiko steigt
      • Mögliche depressive Verstimmungen
  • Bei Frauen:
    • Auch bei Frauen wichtig, aber in geringeren Mengen
    • Erhöhte Werte können zu:
      • Vermännlichung (Hirsutismus, tiefere Stimme)
      • Zyklusstörungen
      • Akne
      • In einigen Fällen: PCO-Syndrom (Polyzystisches Ovarialsyndrom)
    • Erniedrigte Werte können zu verminderter Libido und Knochendichteverlust führen
Östrogen und Progesteron
  • Funktion:
    • Hauptsächlich weibliche Sexualhormone, steuern Menstruationszyklus und Schwangerschaft
    • Östrogen:
      • Fördert die Entwicklung weiblicher Geschlechtsmerkmale
      • Reguliert den Menstruationszyklus
      • Wichtig für Knochendichte und Hautelastizität
    • Progesteron:
      • Bereitet die Gebärmutterschleimhaut auf eine mögliche Schwangerschaft vor
      • Wichtig für die Aufrechterhaltung einer Schwangerschaft
  • Östrogen:
    • Schwankungen im Zyklus normal:
      • Niedrig zu Beginn des Zyklus
      • Peak kurz vor dem Eisprung
      • Abfall nach der Ovulation
    • Erhöhte Werte:
      • Mögliche Ursachen:
        • Östrogenproduzierende Tumoren
        • Umwelteinflüsse (z.B. Xenoöstrogene in Plastik)
        • Übergewicht (Fettgewebe produziert Östrogen)
      • Bedeutung:
        • Erhöhtes Risiko für Brustkrebs und Gebärmutterschleimhautkrebs
        • Verstärkte Menstruationsblutungen
        • Flüssigkeitsretention und Gewichtszunahme
    • Erniedrigte Werte:
      • Typisch in der Menopause
      • Aber auch möglich bei:
        • Essstörungen und starkem Untergewicht
        • Intensivem Ausdauersport
        • Vorzeitiger Ovarialinsuffizienz
      • Bedeutung:
        • Können zu Osteoporose führen
        • Scheidentrockenheit und Libidoverlust
        • Hitzewallungen und Stimmungsschwankungen
  • Progesteron:
    • Wichtig für die Schwangerschaftserhaltung
    • Niedrige Werte können auf:
      • Unfruchtbarkeit hindeuten
      • Zyklusstörungen verursachen
      • Ein erhöhtes Risiko für Fehlgeburten darstellen
    • Erhöhte Werte:
      • Normal während der Schwangerschaft
      • Selten: Progesteronproduzierende Tumoren
Stresshormone: Unsere körpereigenen Alarmsysteme
Cortisol
  • Funktion:
    • Oft als „Stresshormon“ bezeichnet
    • Reguliert Stoffwechsel, Immunsystem und Blutdruck
    • Wichtig für die Bewältigung von Stresssituationen
    • Folgt einem zirkadianen Rhythmus: Hoch am Morgen, niedrig am Abend
  • Erhöhte Werte:
    • Mögliche Ursachen:
      • Chronischer Stress (beruflich, privat)
      • Cushing-Syndrom (Überproduktion von Cortisol)
      • Langzeitige Einnahme von Cortison-Präparaten
    • Bedeutung:
      • Kann zu Gewichtszunahme führen, besonders am Bauch
      • Erhöhter Blutdruck und Blutzuckerspiegel
      • Erhöhtes Risiko für Diabetes Typ 2
      • Osteoporose durch verstärkten Knochenabbau
      • Immunsuppression mit erhöhter Infektanfälligkeit
      • Psychische Symptome wie Schlafstörungen, Angstzustände
  • Erniedrigte Werte:
    • Mögliche Ursachen:
      • Addison-Krankheit (Nebennierenrindeninsuffizienz)
      • Nebennierenschwäche (oft nach langanhaltender Stressperiode)
      • Plötzliches Absetzen von Cortison-Präparaten
    • Bedeutung:
      • Kann Müdigkeit und Erschöpfung verursachen
      • Schwäche und Schwindel
      • Niedriger Blutdruck
      • Gewichtsverlust und Appetitlosigkeit
      • Elektrolytstörungen, besonders Natriummangel
      • In schweren Fällen: Addison-Krise (lebensbedrohlich)
Adrenalin und Noradrenalin
  • Funktion:
    • Akute Stressreaktion, „Kampf-oder-Flucht“-Hormone
    • Adrenalin: Schnelle, kurzfristige Stressreaktion
    • Noradrenalin: Längerfristige Anpassung an Stress
  • Erhöhte Werte:
    • Mögliche Ursachen:
      • Akuter Stress oder Angstzustände
      • Phäochromozytom (seltener Tumor der Nebenniere)
      • Intensives körperliches Training
      • Bestimmte Medikamente (z.B. Stimulanzien)
    • Bedeutung:
      • Können Bluthochdruck verursachen
      • Verstärktes Schwitzen
      • Herzrasen und Palpitationen
      • Zittern und innere Unruhe
      • Erweiterung der Pupillen
      • Verminderter Blutfluss zu Magen und Darm (mögliche Verdauungsprobleme)
  • Erniedrigte Werte:
    • Seltener klinisch relevant
    • Mögliche Ursachen:
      • Bestimmte Medikamente (z.B. Betablocker)
      • Selten: Störungen der Katecholamin-Produktion
    • Bedeutung:
      • Können zu Müdigkeit und verminderter Stresstoleranz führen
      • Mögliche orthostatische Hypotonie (Schwindel beim Aufstehen)

Diese erweiterten Informationen bieten einen tieferen Einblick in die Komplexität und Bedeutung der Hormone in unserem Körper. Jedes Hormon spielt eine einzigartige Rolle und steht in komplexer Wechselwirkung mit anderen Hormonen und Körpersystemen. Die Interpretation von Hormonwerten erfordert daher immer eine ganzheitliche Betrachtung und sollte im Kontext der individuellen Gesundheitssituation des Patienten erfolgen.